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Zeppelintribüne und Kongresshalle, ehemaliges Reichsparteitagsgelände Nürnberg
© Jitka Hanzlová (für Zeppelintribüne) © o.A., o.J. für das historische Photo

Zeppelintribüne und Kongresshalle, ehemaliges Reichsparteitagsgelände Nürnberg © Jitka Hanzlová © o.A., o.J.

nürnberg, mai 2020
bewerbungsbüros N2025 - kulturhauptstadt europa
was ist das ehemalige reichsparteitagsgelände?
von der „schlafenden“ chiffre zum produktiven denkmal
zur zukunft der erinnerung
positionspapier

Alle, die in Demokratien westlicher Länder leben, haben Nürnberg in ihrer Geschichte. Das ehemalige Reichsparteitagsgelände gehört zu den größten Gedenk- und Erinnerungsorten Europas. Die Zeppelintribüne und die unvollendete Kongresshalle machen en architektonischen Militarismus des Nationalsozialismus begreifbar. Maßstablos ist seine architekturpsychologische Funktion: Individuen zu einer opfer- und gewaltbereiten Volksgemeinschaft zu formen. Mit seinen monumentalen Überresten steht das Gelände für das Selbstzerstörungspotential ziviler Gesellschaften.

Es gibt Gründe, die Wirksamkeit unserer öffentlichen Erinnerungskultur in Zweifel zu ziehen. Zwei Generationen nach dem Holocaust sind Antisemitismus und Rassismus wieder auf dem Vormarsch, nicht nur in unseren urbanen und medialen Räumen, sondern auch unter den Eliten. Woher kommt dieser unheimliche Trend? Mit welchen Gesten manifestiert er sich in der Stadtraumplanung? Welche Impulse ergeben sich aus diesen Dynamiken für den Umgang mit Denkmälern und Nationalen Mythen? Welche Impulse ergeben sich aus diesen Dynamiken für den Umgang mit Denkmälern und Erinnerungsorten? Nicht nur auf Politik und Wissenschaft, auch auf die Kunst und Kultur kommen neue Herausforderungen und Aufgaben zu.
Was ist ein Schauplatz? Wird diese Frage gestellt, gelangt man schnell zur Geschichte des Theaters, einer Gattung aus der sich der Ereignis- und Präsenzcharakter, der dem Begriff anhaftet, ableitet.

Der Schauplatz eines Dramas ist häufig ein Handlungsträger. Diese Bedeutungsnuance liefert den Schlüssel für die Vorstellung von einem Schauplatz als Geschichtsträger. Wenn wir wollen, dass die baulichen Hinterlassenschaften der NS-Diktatur 2025 eine stärkere Präsenzerfahrung auslösen, dann müssen wir heute beginnen, gemeinsam über die Zukunft unserer Erinnerungen nachzudenken.

Wir haben Architekturhistoriker*innen, Erinnerungsforscher*innen, Politikwissenschaftler*innen, Kurator*innen und Künstler*innen eingeladen von ihrer ganz konkreten Arbeit an und mit diesen Schauplätzen zu berichten. Was können wir tun, um angesichts brisanter Entwicklungen, die Wirksamkeit unser Erinnerungs- und Gedenkkultur überlebensfähig zu machen? Wie machen wir unser geschichtliches Erbes zugänglich für ein postmigrantisches, internationales Publikum? Wie können wir in dieser Debatte neues Denken ermöglichen und neue Wege öffnen?

Bisher hat die Figur des Zeitzeugen wachsame, alltagsnahe Schlaglichter auf die Gegen-wart geworfen. Sein Ableben hinterlässt einer Generation, die ihn nicht mehr befragen kann, ein Vakuum und einen Auftrag. Was also, wenn Gedenk- oder Erinnerungsorte nicht nur über Mahnrituale das Gewicht der Vergangenheit abtragen, sondern wenn sie ein neues Handlungsfeld aufspannen, das die riesigen Relikte in Probebühnen für soziale und künstlerische Inszenierungen verwandelt? Aktive Erinnerungspolitik kann heute auch bedeuten, Orte so zu gestalten, dass unsere Wahrnehmung sie nicht als leblose Kulisse oder Inventar einstuft, sondern sie wieder neu entdeckt.
Die Geschichte Nürnbergs bietet dafür den derzeit größtmöglichen Horizont. Was wäre, wenn das Gelände um die Reichsparteitagsbauten zur Bühne würde für die Kraft der Kunst, die Zukunft der Erinnerung und die kommende Gesellschaft?

Konzeption: Marietta Piekenbrock

Auftraggeber: Bewerbungsbüros N2025 - Kulturhauptstadt Europa
Künstlerische Leitung: Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner

Positionspapier: Was ist das ehemalige Reichsparteitagsgelände? Zur Zukunft der Erinnerung.

www.n2025.eu


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