installationsansicht, museum folkwang essen 2014;
© sebastian drüen
aufsicht, naturkundemuseum, lódź; © magda kulak
essen, 16. august 2014
antje ehmann/ harun farocki:
„eine einstellung zur arbeit“
ausstellungseröffnung, museum folkwang
kuratiert von marietta piekenbrock
Die Kamera des ersten Films, der in der Geschichte zur Vorführung kam,
ist auf eine Fabrik gerichtet. Der Film trägt den Titel „La Sortie de
l’usine Lumière á Lyon“ (1895). Er zeigt Männer und Frauen, wie sie das
Werkstor der Lumière-Werke in Lyon verlassen. Der etwa 45 Sekunden lange
Film der Gebrüder Lumière wurde in nur einer Einstellung gedreht und sagt:
Jedes Detail der bewegten Welt ist es wert, festgehalten und betrachtet zu werden.
Für ihr neues Projekt „Eine Einstellung zur Arbeit“ greifen Antje Ehmann und
Harun Farocki auf die Methode der Lumière-Brüder zurück, um etwas von der
entschiedenen Sachlichkeit der Filme des 19. Jahrhunderts wiederzugewinnen.
Die Aufgabe lautet: Mit einer einzigen Kameraeinstellung das Thema ›Arbeit‹
zu behandeln.
Mehr als 400 Filme aus zehn Städten von fünf Kontinenten – für ihr Projekt
„Eine Einstellung zur Arbeit“ reisten Antje Ehmann und Harun Farocki
über drei Jahre in 15 internationale Großstädte, um mit örtlichen
Videokünstlern und Filmemachern 400 Kurzfilme zu realsieren.
Die Filme zeigen bezahlte und unbezahlte, materielle und immaterielle,
traditionsreiche und gänzlich neue, industrielle sowie vor- und postindustrielle Formen von Arbeit.
Eine Einstellung zur Arbeit ist eine Aufforderung, Arbeit im 21. Jahrhundert aus einer doppelten
Perspektive zu betrachten: als individuelle Handlung inmitten von kollektiven Zwängen.
Die Kurzfilme sind Dokumentation und Konstruktion zugleich. Für die rhetorische Figur der
›Arbeiterschaft‹ versammeln sie eine Fülle konkreter Bilder. Von kleinsten Details an Werkzeugen,
vom Bestücken von Maschinen, von Handgriffen, Bewegungschoreografien und szenischen Momenten ausgehend,
entwickeln die Filmeinstellungen ihre Beobachtungen und Verknüpfungen aus dem Material heraus. Ob am
Webstuhl, am Computer oder am Klavier, ob im Bostoner MIT, im Altersheim von Buenos Aires,
im Naturkundemuseum von Łódź oder in einem Fitnessstudio von Tel Aviv – es sind überraschend
magische Momente, die das Faktische erzeugt.
Die für den Museumsraum konzipierte Ausstellung ist die erste umfangreiche Präsentation von Eine
Einstellung zur Arbeit. Sie versteht sich nicht als einzig denkbare, geschlossene Erzählung,
sondern als eine Art symbolischer Schnittplatz, ein Laboratorium, in dem sich der Zuschauer
seinen eigenen Film montiert. Zehn Leinwände mit je sechs Kurzfilmen aus den jeweiligen Städten –
mit Bildern, Stimmen, Geräuschen, unterschiedlichen Sprachen – füllen einen ganzen Raum. Eine
Einstellung zur Arbeit ist überraschende Sozialgeschichte, hoch organisierte, globale Enzyklopädie
und verdichtete Wirklichkeitslektüre.
Wie heute Arbeiter auf der ganzen Welt ihren Arbeitsplatz verlassen, zeigt eine weitere Installation,
die Antje Ehmann und Harun Farocki während der langjährigen Arbeit entwickelt haben. Arbeiter
verlassen ihren Arbeitsplatz in 10 Städten kann als ein aktualisiertes Remake des Lumière-Films
Veranstalter: Ruhrtriennale in Kooperation mit dem Museum Folkwang
www.ruhrtriennale.de;
www.museum-folkwang.de;
www.eine-einstellung-zur-arbeit.net
Ein Projekt von Antje Ehmann und Harun Farocki